FrauenarbeitVon Frau zu Frau

Jesus (ver)spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.

Ein paar Gedanken zum Jahresspruch für 2022 aus Johannes 6,37:

Auf den ersten Blick klingt der Bibelvers, der von einer ökumenischen Arbeitsgemeinschaft ausgewählt wurde, ganz gut. Jesus weist keinen ab. Jesus ist nicht abweisend. Aber – ist das wirklich so gut, wie es klingt? Ist ein Mensch, der nicht abweisend ist, gleichzeitig annehmend?

Ein Vergleich verschiedener Übersetzungen zeigt unterschiedliche Begriffe:
37 Alles, was mir der Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.  (LÜ)
37 Alle Menschen, die mir der Vater gibt, werden zu mir kommen, und keinen von ihnen werde ich je abweisen. (Hfa)
37 Alle, die mein Vater mir gibt, werden zu mir kommen, und niemand, der zu mir kommt, wird von mir abgewiesen. (EÜ)
37 Alle aber, die der Vater mir gegeben hat, werden zu mir kommen, und ich werde sie nicht zurückweisen oder hinausstoßen. (NLB)
37 Alle, die der Vater mir gibt, werden zu mir kommen und ich werde sie niemals zurückweisen. (NeÜ)

Abweisen – zurückweisen – hinauswerfen. Drei Worte, eine Bedeutung?

Im Gespräch haben wir gemerkt, dass unterschiedliche Frauen Unterschiedliches mit den Worten verbinden. Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Da gibt es Menschen, die sind einfach abweisend. Sie zeigen schon im Vorbeigehen, dass sie nicht an einer Kontaktaufnahme interessiert sind. Ein freundlicher Gruß wird nicht erwidert. Körperhaltung und Mimik machen deutlich: Lass mich in Ruhe. – Wenn mir jemand abweisend begegnet, nehme ich keinen Kontakt zu ihm auf, es kann keine Beziehung entstehen.

Zurückgewiesen zu werden ist eine Stufe härter. Der verliebte Teenager handelt sich eine Abfuhr von der Klassenkameradin ein. Das mitteilungsbedürftige Kind wird von der beschäftigten Mutter mit einem „jetzt nicht“ zurückgewiesen. Ein Bewerber erlebt vielfache Zurückweisung, jedes Mal, wenn er wieder eine Absage aus dem Briefkasten holt. Da wird ein Hilfsangebot zurückgewiesen oder eine tröstende Umarmung. – Eine Zurückweisung trifft mich oft ganz persönlich. Ich fühle mich abgelehnt, mit meinen Bedürfnissen nicht wahrgenommen.  Zurückgewiesen zu werden verletzt. – Aber manchmal bin ich auch die Zurückweisende – als Mutter, weil ich scheinbar Wichtigeres zu tun habe, als Freundin oder Partnerin, weil ich zu beschäftigt bin mit meinen Plänen, meinen Gedanken und Sorgen. Manchmal verletzt meine Zurückweisung andere.

Noch verletzender ist jedoch ein Hinauswurf. Das geschieht einem Mitarbeiter, der sich etwas hat zu Schulden kommen lassen. Störenfriede werden hinausgeworfen oder Menschen, die keine Grenze kennen, meine Gastfreundschaft zu lange in Anspruch nehmen. – Jemanden hinauszuwerfen ist ultima ratio, das letzte Mittel. Hinausgeworfen wird einer nur, wenn gute Worte, Ermahnungen oder ernste Warnungen nicht zum Erfolg geführt haben.

Wer hinausgeworfen wird, muss vorher irgendwo Zugang gehabt haben. Er muss drinnen gewesen sein. Er hat dazugehört. – Vielleicht ist deshalb der Hinauswurf auch so schlimm: Da gehöre ich auf einmal nicht mehr dazu, muss von draußen zuschauen – oder stehe vielleicht nur noch vor einer verschlossenen Tür. Da ist eine Beziehung zerbrochen, der Weg zurück verbaut. Das tut richtig weh.

Was sagt uns Jesus im Jahresspruch zu? – Das griechische Wort ist sehr deutlich: ekbalein ezo – hinauswerfen, weg von mir steht da. Zwei Worte, in denen viel Bewegung steckt und eine Richtung. Weg von Jesus. Hinaus. Das ist viel mehr als nur abweisend zu sein oder zurückzuweisen. – Wie gut, dass Jesus das gerade nicht tun wird.

Jesus verspricht: „Alles, was mir der himmlische Vater gibt, kommt zu mir. – Und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinauswerfen.“

Das ist ein großer Trost: Ich bin Jesus von Gott anvertraut worden. Gott hat mich seinem Sohn gegeben. Nur deshalb konnte ich zu ihm kommen. – Das macht mich demütig. Aber es tröstet mcih auch. Denn Gott, mein himmlischer Vater, kennt mich durch und durch. Er weiß ganz genau, mit wem er es zu tun hat, und was er von mir erwarten kann oder auch nicht. Er kennt meine Schwachstellen, er weiß wo ich versage und dass ich es trotz viel guten Willens einfach nicht schaffe so zu sein, wie er es sich für mich und von mir wünscht. – Aber gerade deshalb hat er mich auch seinem Sohn anvertraut. Er hat mich Jesus gegeben. Dem Einzigen, der Gottes Willen voll und ganz erfüllt hat. Dem Einzigen, der Genugtuung geleistet und Gottes heiligen Zorn gestillt hat. Jesus ist der Heiland, der Einzige, der wirklich Heil geschaffen hat und heil machen kann. Und bei dem darf ich „drin sein“, weil Gott mich ihm anvertraut hat.
Und dieser Jesus sagt mir zu: Wenn du bei mir drin bist werde ich dich nicht hinauswerfen. – Wie gut: Ganz gleich ob ich’s wieder mal verbocke, ob ich schuldig werde vor Gott und an den Menschen, ganz gleich ob ich wieder mal verzage, mir zu viele Sorgen mache, ängstlich in die Zukunft schaue, ganz gleich auch, wenn ich Gottes Größe aus dem Blick verliere … Jesus wird mich nicht hinauswerfen. Ich darf bei ihm drinnen bleiben. Gemeinschaft mit ihm haben. Durch sein Wort und Sakrament stärkt er meinen schwachen Glauben und ermutigt mich im Alltag.

Das Bild von der erleuchteten Kapelle gefällt mir: Das Licht ist einladend. Da drin ist es heimelig und hell, das Licht scheint warm. Ich kann mich dort wohlfühlen, hinsitzen, ausruhen, mich aufwärmen, zuhören, mit Gott reden. Die Tür ist offen. Jeder kann kommen, den Gott an diesen Ort führt. Und jeder darf bleiben, der an diesen Ort gekommen ist. Aber … die Tür ist offen … ich kann auch hinausgehen, mich selbst wieder abwenden.

Geb’s Gott, dass ich mich bei Jesus auch 2022 so geborgen weiß, dass ich gar nicht davonlaufen will.
Und geb’s Gott, dass ich 2022 mit allem, was mich beschäftigt, mit aller Sorge und Not, mit allen Ängsten und Zweifeln, mit allem Versagen und mit meiner Schuld in der Gegenwart von Jesus bleibe und mich von ihm trösten und ermutigen und mir vor allem die Schuld vergeben lasse.

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